Ciudad Perdida Trek – auf der Suche nach der Verlorenen Stadt

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Du schwitzt. So wie du in deinem ganzen Leben noch nie geschwitzt hast. Du wusstest gar nicht, dass dein Körper so viele Schweissdrüsen hat. Deine Kleider sind pflutschnass – und das bevor es zu regnen beginnt! Du kämpfst dich voran, einen Schritt nach dem anderen. Die steilen Steigungen hinauf und dann wieder hinunter. Seit ein paar Stunden bist du nun unterwegs, vielleicht auch schon seit ein paar Tagen. Auf jeden Fall weisst du, dass du den ganzen Weg, den du hier zurücklegst, morgen oder übermorgen wieder zurückgehen musst. Denn dort, wo du hingehst, gibt es keine Strassen, keine navigierbaren Flüsse und auch keinen Flughafen. Du bist auf dem Weg zur Ciudad Perdida, der Verlorenen Stadt.

Natürlich war der viertägige Trek zur Verlorenen Stadt nicht nur Anstrengung und Schweiss (VIEL Schweiss!). Auf dem Weg durch den Regenwald der Sierra Nevada de Santa Marta wurden wir zuerst einmal kräftig ein paar Stunden lang verregnet (es ist momentan Regenzeit), was den Weg auf einem beträchtlichen Teil der ersten Tagesetappe in eine regelrechte Schlammrutschbahn verwandelte. Der Regen war aber gleichzeitig auch Segen, denn er kühlte die Lufttemperatur und unsere heissen Köpfe und gab uns so neue Energie. Angekommen im Camp für die erste Nacht gönnten wir uns – trotz Regen – einen Schwumm im natürlichen Pool, bekamen ein feines Abendessen serviert und wurden von unserem Führer Jhon in der Geschichte der BewohnerInnen der Sierra Nevada unterrichtet.

In diesem Regenwald leben nämlich nicht nur indigene Völker wie die Wiwa und die Kogi, sondern auch ehemalige EinwohnerInnen von Cali, Medellín und Bogotá, die durch die Aktivitäten der Guerillas und der Paramilitärs aus ihrer Heimat vertrieben wurden und sich dann hier niederliessen. Sie bauten sich inmitten des Dschungels ihre Häuser und fingen an, Kaffee anzupflanzen und diesen auf den Märkten an der Küste zu verkaufen. Wegen der klimatischen Gegebenheiten dieser Region war dieses Geschäft aber nicht sehr lukrativ, denn sie konnten nur einmal im Jahr ernten. Also hielten sie nach anderen Möglichkeiten Ausschau und kamen irgendwann auf die Idee, in ihren Kaffeeplantagen zusätzlich Marihuana anzupflanzen. Dieses brachte sehr viel mehr Geld ein und konnte mehrmals jährlich geerntet werden. Als dann einige Jahre später in Kolumbien die Produktion und der Handel mit Kokain so richtig boomten, änderten sie noch einmal ihre Strategie und fingen an, Kokaplantagen aufzubauen. Die kolumbianische Regierung bekam dann aber Wind von den Drogenplantagen in der Sierra Nevada und liess jede einzelne Kokapflanze von Hand ausreissen, damit kein Gift benutzt werden musste, das die anderen Pflanzen der Region auch angegriffen hätte.

Nach der Geschichtslektion schauten wir uns alle gemeinsam auf dem kleinen Fernseher des Campinhabers das Finalspiel Chile gegen Argentinien der Copa America an, wobei vor allem Matias und Josefina, das argentinische Pärchen unserer Gruppe, voll mitfieberten.

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Die oben erwähnte Schlammrutschbahn. Und ja, das ist ein Abfallsack, den ich da anhabe.

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Am nächsten Tag – wie auch an den beiden darauffolgenden Tagen – wurden wir bereits um 5 Uhr morgens geweckt und mussten wieder in unsere nassen Wanderkleider steigen. Natürlich hat bei dieser hohen Luftfeuchtigkeit überhaupt gar nichts getrocknet. Wir hatten sogar das Gefühl, dass unsere Sachen noch nasser waren als am Vorabend. Naja, nach einer halben Stunde Wanderung waren wir eh bereits wieder nassgeschwitzt, also spielte es keine Rolle. An diesem zweiten Tag gingen wir während rund acht Stunden und bewältigten dabei mindestens zwei ziemlich happige, ziemlich steile Pässe. Glücklicherweise hatten wir eine lange Mittagspause, während der wir im Fluss baden und unsere Beine und Füsse ausruhen konnten. In dieser zweiten Etappe überquerten wir eine Hängebrücke, kamen auf Augenhöhe mit einer Schlange, passierten ein indigenes Dorf und kamen am Abend nur einen Kilometer vor der Verlorenen Stadt in unserem Nachtquartier an. Morgen würden wir endlich die Stadt sehen! Nach dem – abermals sehr leckeren – Abendessen und ein paar Runden Bullshit (ein Kartenspiel) fiel uns auf einmal auf, was für ein funkelnder und glasklarer Sternenhimmel uns umgab, den wir so noch nie gesehen hatten. Denn mitten im Dschungel, ohne jegliche Zivilisation und ganz ohne Lichtverschmutzung konnten wir auf einmal erkennen, wie viele Sterne da eigentlich sind und wie wenig wir in unseren Breitengraden davon sehen. Wir standen sicher eine halbe Stunde einfach nur da und staunten. Und genossen die wunderbare Aussicht.

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Unser Führer Jhon (links) und der Übersetzer Tommy (rechts) erzählen uns vom Wiwa-Friedhof, der sich auf einem der Pässe befindet …
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… aber uns interessieren in diesem Moment die Wassermelonen viel mehr. 😉 Das Foto zeigt übrigens ziemlich gut die allgemeine Stimmung während des Treks: der Erschöpfung nahe aber immer gut gelaunt!

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Baden im Fluss am zweiten Tag. Diese Momente waren es, die uns jeweils wieder Energie für die zweite Hälfte gegeben haben.

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Dieses indigene Dorf wird nur bewohnt, wenn die Gemeinschaft eine Besprechung oder einen sonstigen Anlass hat, um sich zu treffen. Den Rest der Zeit leben die Familien verstreut in den Wäldern, wo jede Familie zwei Häuser hat: In einem Haus wohnt der Mann und im anderen Haus die Frau. Die Kinder leben bei ihrer Mutter, wobei die Söhne zum Vater übersiedeln, wenn sie etwa acht Jahre alt sind.
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Ein Mann mit wahrscheinlich seinem Sohn. Die Indigenen sehen sehr viel jünger aus als sie sind und gründen ihre Familien auch früher als es bei uns üblich ist.

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Das Camp der zweiten Nacht. Die Camps der ersten und der dritten Nacht waren im selben Stil.

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Am Morgen des dritten Tages standen wir wiederum um 5 Uhr auf und machten uns bald darauf schon auf den Weg zur Verlorenen Stadt. Dafür mussten wir zunächst einen Fluss durchqueren und dann 1200 ungleiche, kleine und teilweise rutschige Treppenstufen hochsteigen, bis wir endlich am eigentlichen Ziel unseres Treks angekommen waren: die Ciudad Perdida. Jhon erklärte uns, dass die Stadt zu Zeiten der Tairona (die Vorfahren der jetzigen indigenen Völker der Sierra Nevada) das spirituelle und politische Zentrum des Volks war. Als während der Kolonialisierung die Spanier die Nordküste Kolumbiens eroberten, gaben die Tairona irgendwann diese spirituelle Stätte auf und zogen sich weiter in den Dschungel zurück. Obwohl die Spanier nie bis zur Ciudad Perdida vordrangen, kamen die Tairona nicht wieder hierher zurück, bis irgendwann niemand mehr den genauen Ort der Stadt kannte. Die Tairona und auch die jetzigen Völker der Sierra Nevada wussten immer, dass es die Stadt gab und überlieferten sich ihre spirituelle Bedeutung, wussten aber nicht mehr, wo sie sich befand. 1972 wurde die Stadt dann von Schatzsuchern und Plünderern gefunden. Danach wurde die Stadt restauriert – unter anderem von Jhons Vater, der mit den Archäologen und Anthropologen zusammenarbeitete – und dann für Touristen wie uns via einen Trek zugänglich gemacht.

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Der erste Blick auf die Verlorene Stadt. Jede der runden Flächen bezeichnet einen Ort, wo früher ein Haus stand.
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Unsere Trekkinggruppe, bestehend aus Leuten aus Holland, Kolumbien, Argentinien, Wales, England, Deutschland, Belgien und der Schweiz ;-)

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Die Ciudad Perdida in ihrer Pracht. So beeindruckend.

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Nach dem Rundgang durch die Ruinen erzählte uns Jhon noch mehr über die Kultur der Tairona (ich kann mich leider nicht mehr an alles erinnern) und unser anderer Führer – Pataconcito – zeigte uns, woraus diese Völker ihre Farben herstellen. Natürlich musste er uns auch gleich eine Anwendungsform demonstrieren.

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Im Gegensatz zu anderen Treks, die mit dem Höhepunkt aufhören, endet der Ciudad Perdida Trek nicht mit dem Besuch der Stadt. Ganz im Gegenteil. Nachdem man die Stadt besucht hat, muss man den ganzen gleichen Weg wieder zurückgehen und verbringt noch einmal eine Nacht in einem Camp. Diese zweite Hälfte ist auch die strengere, denn die Beine sind müde und steif, man hat das Ziel schon erreicht und der Rückweg kommt einem viel länger vor als der Hinweg.

Aber auch diese letzte Etappe haben wir gemeinsam gemeistert und waren uns am Schluss alle einig, dass der Trek gleichzeitig etwas vom Härtesten und etwas vom Besten war, das wir je getan haben.

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