Warum sind Türken so …. ?

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„Warum sind Türken so…“ gaben Eva und ich ins Google-Suchfeld ein und erschraken im selben Augenblick. Google wollte nämlich unsere Suchanfrage automatisch vervollständigen und schlug uns „Warum sind Türken so dumm?“, „Warum sind Türken so arrogant?“ und „Warum sind Türken so hässlich?“ vor.

Wir waren jetzt schon seit fast zwei Wochen in der Türkei unterwegs und hatten dementsprechend auch schon ein paar Begegnungen mit Türken. Und ohne zu übertreiben oder zu beschönigen war bis jetzt keine einzige dieser Begegnungen in irgendeiner Form negativ oder unangenehmm gewesen. Klar, die Türken sind auch nicht mit irgendwelchen übernatürlichen Herzlichkeits- und Hilfsbereitschaftssuperkräften ausgestattet und die meisten behandeln uns einfach so, wie sie alle anderen auch behandeln. Nicht besser und nicht schlechter und nicht anders. Aber dann gab es da ab und zu die kleinen und auch grösseren Begegnungen, die einfach gut taten, bei denen einem warm ums Herz wurde und die Verbundenheit schufen.

Wie zum Beispiel das eine Mal, als wir auf der Rückreise von der Cesme-Halbinsel nach Izmir im kleinen Fischerdörfchen Ildir gestrandet waren und der nächste Bus erst am nächsten Morgen gefahren wäre. Zuerst kam uns ein Dorfbewohner zu Hilfe, der uns auf dem Dorfplatz verwirrt herumirren sah und informierte uns, dass kein Bus mehr fahre, da genau heute (!) auf den Herbstfahrplan umgestellt wurde. Als er merkte, dass wir unbedingt am selben Abend noch nach Izmir zurück wollten, nahm er sich unserer an (wahrscheinlich hatte er Mitleid mit uns, wie wir so verloren auf dem Dorfplatz standen) und fing an, Lösungsvorschläge für uns zu brainstormen. „Ihr könntet Autostopp machen bis zur Kreuzung mit der Hauptstrasse, wo der Linienbus fährt!“ Nur leider fuhr fast niemand durch dieses Dorf und bis zur Kreuzung war es zu Fuss zu weit. „Ihr übernachtet heute Nacht hier in der kleinen Pension und fahrt erst morgen früh nach Izmir zurück – Ildir wird euch gut gefallen!“ Aber unser Geld reichte knapp noch für die Rückfahrt, geschweige denn für eine Nacht in einer Pension. Unser restliches Geld sowie die Kreditkarten lagen gut verstaut in unserem Hotelzimmer in Izmir. „Vielleicht kann euch der Bürgermeister bis ins nächste Dorf mitnehmen, wenn er seine Tochter zum Musikunterricht bringt? Von dort müsst ihr dann nur noch ein Dorf weiter – am besten per Autostopp – und dann seid ihr an der Haltestelle des Linienbusses.“- „Ja,“ fanden wir, „das könnte klappen.“ Unser türkischer Freund brachte uns also ins Büro des Bürgermeisters – der übrigens weder Englisch noch irgendeine andere für uns verständliche Sprache sprach – und dort warteten wir, bis unsere Mitfahrgelegenheit losfuhr. Irgendwann spazierte die etwa 13-jährige Tochter ins Büro hinein und wir brachen auf. Als wir jedoch das Auto sahen, in dem wir mitfahren sollten durften, traf uns kurz fast der Schlag: es war WINZIG! Das Auto hatte nur zwei Sitze und der Kofferraum war über die Hälfte gefüllt mit allem Möglichen – Werbebroschüren für die Gemeinde, leere Wasserkanister und allerlei Gerümpel. Dem Bürgermeister tat es leid, dass er uns nur den Kofferraum anbieten konnte, er entschuldigte sich mehrmals. Uns störte das aber eigentlich nicht, hauptsache wir kamen irgendwie zur Bushaltestelle und dann nach Izmir zurück. Die Fahrt wurde ziemlich abenteuerlich, ziemlich unbequem, aber genial unterlegt mit türkischer Volksmusik – und viel länger als wir gedacht hatten. Statt uns einfach im nächsten Dorf abzuladen, wo er ja eigentlich hinmusste, brachte uns der Bürgermeister nämlich bis zur Bushaltestelle des Linienbusses und fuhr extra einen riesigen Umweg. Aber damit nicht genug, er kam auch noch mit uns zum Schalter und erkundigte sich, wann der nächste Bus nach Izmir fahre und wieviel das Ticket koste. Mit dem Rückfahrtsticket in der einen und einer Ildir-Werbebroschüre (auf türkisch!) in der anderen Hand verabschiedeten wir uns von unserem Helfer in der Not und bedankten uns überschwänglich. Beziehungsweise so gut es ohne gemeinsame Sprache eben ging.

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Beim Bürgermeister von Ildir im Kofferraum

Oder das andere Mal, als sich ein normales Nachtessen zu einem unvergesslichen Erlebnis entwickelte, bei dem ich heute noch schmunzeln muss, wenn ich daran zurückdenke. Es war unser erster Abend in Göreme (Kappadokien), wir waren müde von der langen Busfahrt in der Nacht zuvor und vom vielen Herumgehen in der spektakulären kappadokischen Landschaft (dazu in einem anderen Post mehr). Und vor allem hatten wir Hunger! Wir suchten uns also ein Restaurant mit Dachterrasse – Eva und ich haben eine Schwäche für Dachterrassen und halten immer nach der besten Aussicht Ausschau – und wurden bereits am Eingang von einem freundlichen und gut gelaunten Kellner begrüsst und willkommen geheissen. Wir wollten gerade die Treppe zur Dachterrasse hochgehen, als er uns zurief „Hey, mögt ihr Knoblauch?“ und uns auf unser „Ja, natürlich!“ einen Plastiksack voller Knoblauch in die Hand gab, die wir bitte nach oben zum Koch bringen mögen – „Dann bereitet er für euch ein Knoblauch-Special zu!“. Das liessen wir uns natürlich nicht zweimal sagen, schnappten uns den Sack und lieferten ihn beim verdutzten Koch in der Küche ab. Der Abend fing also gut an. 🙂 Wir genossen zuerst einmal ein kühles Efes während wir den Sonnenuntergang über Kappadokiens Felsformationen bewunderten und dem Muezzin lauschten. Wir bestellten uns dann beide ein Keramikkebap (Testi Kebap) – die lokale Spezialität -, das in einem verschlossenen Tontöpfchen gekocht und serviert und erst am Tisch geköpft wird. Und kurz darauf erschien auch schon unser lustiger Kellner mit dem versprochenen Knoblauch-Special: Pommes Frites mit Tomatensauce und rohem Knoblauch. Das klingt jetzt zwar nicht so speziell, war aber genial fein! Inzwischen wurde es langsam kühl, was dem aufmerksamen Kellner natürlich nicht entging – wir waren fast die einzigen Gäste im Restaurant – und sogleich legte er uns beiden warme Decken um die Schultern. Irgendwann setzten er und sein Kollege sich dann endgültig zu uns, scherzten und plauderten mit uns, offerierten uns ein Tässchen Cay (Tee) und holten sogar den Koch aus der Küche, damit er für ein Foto mit uns posierte. So ging ein sehr unterhaltsamer und gemütlicher Abend mit tollen neuen Bekanntschaften zu Ende, den wir so schnell nicht vergessen werden.

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„Do you want a picture with the chef?“ – „Ehm, okay why not!“

Eine andere Begegnung war mit einem älteren Delikatessenverkäufer auf dem Markt in Istanbul, der fast mehr Freude an Eva hatte als Eva Freude an den Oliven hatte. Die Begegnung fing mit einer Olivendegustation und ein paar (nicht wirklich verständlichen) Scherzen und gemeinsamem Lachen an und endete in einem mir zugeflüsterten und nicht ganz ernst gemeinten „How much for your friend?“. Ich war zwar nicht bereit, ihm Eva zu verkaufen, konnte ihn aber trotzdem zu einem gemeinsamen Foto überreden (siehe ganz oben). Ist er nicht allerliebst, unser Olivenverkäufer?

Andere kleinere, aber nicht weniger menschliche Begegnungen waren zum Beispiel mit dem Kellner in der Hilton Rooftop Bar (ja, wieder eine Dachterrasse!), der uns nicht nur ungefragt und ohne es zu berechnen je ein zweites Glas Wein und zusätzliche Snacks gebracht, sondern uns auch noch den Zimmerrabatt von der Rechnung abgezogen hat (wir hatten natürlich kein Zimmer im Hilton). Einfach so. Okay, wahrscheinlich hatte er Mitleid mit uns, da wir VIEL weniger elegant angezogen waren als die restliche Kundschaft und knapp zwei Stunden lang an unserem ersten Glas nippten. Wir waren auf jeden Fall beeindruckt von seiner Freundlichkeit! Nur leider konnten wir uns nicht einmal mehr bei ihm bedanken, da seine Schicht schon zu Ende war, als wir schliesslich bezahlten. Eine andere nette Begegnung war mit zwei Jungs, die uns auf dem nächtlichen Nachhauseweg in Sultanahmet (Istanbul) angesprochen hatten, mit uns etwa 200m gingen und plauderten und sich danach ganz höflich wieder verabschiedeten, nicht ohne uns noch eine gute Weiterreise und einen sicheren Heimweg zu wünschen. Oder auch mit dem Nachtportier in unserem Hotel in Izmir, der mit uns über Gott und die Welt, Politik, Gesellschaft und Religion sprach und uns fast nicht zu Bett gehen lassen wollte, da er sonst die ganze Nacht wieder alleine dasitzen würde. Seine Englischkenntnisse und sein beeindruckendes Wissen hat er sich übrigens auch während der zahlreichen einsamen Nachtschichten angeeignet. An diesem Mann ist ein Lehrer verloren gegangen. Sehr schade. Aber sehr spannend und bereichernd für uns.

Wie ihr euch nach diesen Anekdoten hoffentlich vorstellen könnt, waren Eva und ich sehr angetan von den Türken und beeindruckt von ihrer Herzlichkeit, ihrer Offenheit und ihrer Hilfsbereitschaft. Deshalb haben uns auch die eingangs erwähnten Suchvorschläge so geschockt. Unsere Erfahrungen mit den Türken haben uns nämlich genau das Gegenteil gezeigt.

Was wir eigentlich gesucht haben bei unserer Google-Anfrage? „Warum sind Türken so herzlich/offen/hilfsbereit?“

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